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Beitrag vom 26.03.2010
Ana Moura - Leva-me aos Fados
Nadja Grintzewitsch
Mit ihrem inzwischen vierten Album hat die portugiesische Fadista in ihrem Heimatland bereits Platinstatus erreicht, über 20.000 Alben gingen dort über die Ladentische. Auch dieses Mal setzte sie...
...auf ihre Erfolgsmischung: klassische Arrangements in Verbindung mit ihrer dunklen, sehnsuchtsvoll-seufzenden Altstimme.
Es gibt Worte, die kommen nur in bestimmten Sprachen vor und gelten als unübersetzbar. Beispiele hierfür sind das bekannte deutsche Wort "Torschlusspanik" - die Angst, ein bestimmtes Ziel aus Altersgründen möglicherweise nicht mehr zu erreichen - oder das jiddische "Shlimazl". Letzteres steht für eine Person, die chronisches Pech hat.
In der portugiesischen Sprache kennt frau/man das Wort "Saudade", welches sich mit Ausdrücken wie "Weltschmerz" oder "Sehnsucht" nur unzureichend beschreiben lässt. Von "Saudade" handeln jedoch die Lieder der Stilrichtung Fado, welche ähnlich dem amerikanischen Blues oder dem argentinischen Tango in den urbanen Armenvierteln erfunden wurde und inzwischen salonfähig geworden ist.
Fado wird traditionell auf der "Guitarra Portuguesa" begleitet, einem birnenförmigen Zupfinstrument, auf dem sechs Doppelsaiten angeordnet sind. Dadurch klingt die Begleitung besonders voll und virtuos. Meist kommt noch eine Bassgitarre hinzu, die einen ordnenden Rhythmus vorgibt, sehr selten weitere Instrumente. Die begleitenden Musiker sind ausschließlich männlich, in den Kompositionen herrschen Molltöne vor.
Von diesem Konzept weicht Ana Moura auf ihrem neuen Album kaum ab – aber das muss sie auch nicht, denn allein ihre Stimme hat hohen Wiedererkennungswert. Mal wehmütig und melancholisch hauchend, mal mit einer frischen Leichtigkeit erzählt sie von tiefem Gefühlskummer und schwelgt in vergangener Liebesfreud. Dazwischen immer wieder die zwölfseitige portugiesische Gitarre, deren Stahlseiten einerseits die melancholische Grundstimmung wie nebenbei auflockern, auf der anderen Seite einen metallischen Gegenpart zu den luftig-beschwingten Lyrics bilden. Gitarrist Custódio Castelo brilliert auf diesem Instrument, kommuniziert, flirtet und streitet mit der Sängerin: Es ist ein ständiger, ganz aus dem Leben gegriffener Dialog zwischen "Guitarra Portuguesa" und Moura´s Altstimme, dem frau/man gerne zuhört.
Wie bei den vorangegangenen drei Platten ließ sich Moura auch diesmal von Jorge Fernando produzieren, einem der erfahrensten portugiesischen Fado-KomponistInnen und MusikerInnen überhaupt. Er war es auch, der die meisten der Stücke auf dem neuen Album komponierte. Für die Fadista erfand er klassische Arrangements, in denen ihr Gesang und die erzählten Geschichten im Vordergrund standen.
Nur mit dem letzten Lied der CD, "Nao é um fado normal", zu Deutsch passenderweise "Dies ist kein richtiger Fado", erlaubt sich Moura einen winzigen Ausbruch aus dem traditionellen Schema. Neben den klassischen Gitarren mischen sich andere Klangfarben wie Holzblasinstrumente, Streicher und gar ein ganzer Männerchor in das Stück.
AVIVA-Tipp: Frau/Man muss der portugiesischen Sprache nicht mächtig sein, um diese Musik zu verstehen, denn sie geht nicht nur ins Ohr, sondern direkt ins Herz. Ana Moura meinte einst hierzu: "Fado ist so besonders, weil er vor allem von Emotionen und Gefühlen handelt. Dafür braucht es keine Übersetzung." Mit rudimentären Spanisch- oder Lateinkenntnissen und der Nase im Booklet gelingt es einer/m dennoch einigermaßen, den Versen zu folgen.
Weiterhören auf AVIVA-Berlin
Ana Moura – Para Além da Saudade
Mariza – Terra
A Tribute to Amália Rodrigues
Sara Tavares – Alive in Lisboa
Ana Moura
Leva-me aos Fados
Label: Universal Music, VÖ März 2010